Die Industriezone Grenchen kann bald einen weiteren Neuzuzug vermelden. Das Lengnauer KMU Gloor Präzisionswerkzeuge AG mit 50 Mitarbeitenden kommt zurück nach Grenchen.
Die Firma Gloor stellt Werkzeuge her, die von anderen Firmen für die Produktion von Metallteilen eingesetzt werden. «Werkzeug» im industriellen Sinn heisst dabei nicht Hammer oder Schraubenzieher. Es sind vielmehr Fräsen, die in Bearbeitungsmaschinen meist automatisiert ihre Arbeit an Werkstücken verrichten.
«Unser wichtigstes Kundensegment ist die Medtech-Industrie», erklärt Daniel Flury (Lommiswil), seit 2014 Haupteigentümer und Geschäftsführer der Firma Gloor Präzisionswerkzeuge AG in Lengnau. Kunden sind ebenfalls Betriebe der Uhrenindustrie, Automobilzulieferer oder die Schliesstechnik. Die von Gloor entwickelten Werkzeuge kommen beim Form- und Gewindefräsen sowie bei Verzahnungen zum Einsatz.
Sie sind aus Metall, das härter ist als das zu bearbeitende Werkstück, nützen sich aber ab und müssen regelmässig neu geschliffen werden. Ein Patent, das die Firma 2016 einreichte, sorgt dafür, dass Verzahnungswerkzeuge «profilneutral» bleiben – auch bei einer Nachbearbeitung.
Dies kommt dank dem sogenannten «logarithmischen Hinterschliff» zu Stande. Damit wird die Lebensdauer dieser Verzahnungsfräsen bedeutend verlängert – ohne dass die Qualität leidet. Das Ganze wird auf selbst entwickelten und mit Partnern gebauten Werkzeugmaschinen umgesetzt.
Zahnräder gehören heute fast zu jeder mechanischen Konstruktion. In einem ersten Arbeitsgang schneiden CNC-gesteuerte Drehautomaten die Rohlinge aus Metallstangen. Danach werden die Werkstücke in die Magazine der sogenannten Verzahnungsmaschinen (etwa von der Grenchner Firma Strausak) eingefüllt. Das rotierende zylindrische Werkstück wird dabei von einem ebenfalls rotierenden speziell geformten Fräskopf bearbeitet, der so geschliffen ist, dass er mit dem Werkstück, das zu verzahnen ist, ein «Schneckengetriebe» bildet.
Solche Fräsköpfe werden von der Firma Gloor hergestellt. Sie werden Werkzeuge genannt und sind heute aus Wolframcarbid, das zusammen mit Kobalt als Bindemittel gesintert (etwa: «zusammengebacken») wird. Damit entsteht eine hohe Härte, die nötig ist, um Stahl zu bearbeiten. Noch härter ist nur noch Diamant: Mit genau diesem Material (Diamantscheiben) werden wiederum die Fräsköpfe bei Gloor hergestellt und in die richtige Form für ihre Aufgabe gebracht. Zum Schluss werden die Fräsen noch oberflächenbehandelt (etwa bei den Grenchner Firmen Blösch oder Swiss-PVD Coating). Damit werden sie noch widerstandsfähiger und verschleissärmer.
Flury berichtet, dass die Firma sich schon seit einigen Jahren in einem Transformationsprozess befindet. Zwar beliefert man Kunden in über 70 Ländern. 60 Prozent der Werkzeuge werden exportiert, primär nach Deutschland und die USA. «Diese beiden Destinationen machen 90 Prozent unserer Exporte aus.»
Es gelte aber, in einem hoch kompetitiven Markt Wettbewerbsvorteile zu gewinnen und zu behalten. Nebst dem erwähnten Patent werde vor allem der Faktor Zeit immer wichtiger:
Mit Agilität und zeitnaher Lieferung der Werkzeuge wolle man sich künftig von der Konkurrenz absetzen. Um dies zu erreichen, wurde firmenintern der Workflow überprüft. Man kam zum Schluss, dass eine Optimierung am besten in einem Neubau möglich ist. Denn das heutige Firmenareal mit verwinkelten Räumen in Jahrzehnten gewachsen und dafür nicht mehr gut geeignet.
Zudem würden die Vibrationen durch die Bahnlinie, die in Lengnau unmittelbar neben der Firma vorbeiführt, immer mehr zum Problem, erklärt Flury. Kam noch dazu, dass der Kauf der Firmenliegenschaft jetzt angestanden wäre. 2014 hatte Flury im Rahmen der Nachfolgeregelung von der zweiten Generation Besitzerfamilie Gloor erst die Firma übernommen, aber nicht die Liegenschaft.
2020 kam als weiterer Teilhaber Martin Pfeuti (Wangen a. A.) hinzu, der seit 2017 im Unternehmen und heute für Marketing und Verkauf zuständig ist. Flury seinerseits hat zuvor eine Firma in Biel geleitet und war 16 Jahre bei Fraisa in Bellach tätig.
Jetzt kann mit dem Neubau alles von Grund auf neu geplant werden. In der Industriezone Grenchen an der Niklaus-Wengi-Strasse soll ein viergeschossiger Bau mit Attika und Terrasse entstehen, wobei das Erdgeschoss zu einem grossen Teil für Mitarbeiterparkplätze genutzt wird und die Attika für Pausenräume der Mitarbeitenden. Als produktive Fläche stehen 2700 Quadratmeter zur Verfügung.
Gute Betreuung durch die lokale Wirtschaftsförderung und die Behörden habe den Entscheid zu Gunsten von Grenchen als Neubau befördert, lobt Flury, aber auch steuerliche Gründe spielten mit und dass Grenchen «einen guten Mikrokosmos» für den Industriebetrieb abgebe. Mit dem Baubeginn werde Anfang 2023 gerechnet, mit einem Bezug im Sommer 2024.
Das Gebäude soll über eine moderne, energetisch optimierte Infrastruktur verfügen. So ist etwa eine zentrale Ölaufbereitungsanlage mit einer Leistung von 2000 Liter pro Minute geplant. Dem zirkulierenden Öl (Kühl- und Schmiermittel), welches sich bei der Bearbeitung der Werkstücke erwärmt, kann diese Wärme entzogen werden, mit welcher man heizen kann. Insgesamt sind Investitionen von rund 8 Millionen Franken für den Neubau geplant.
Mit dem Umzug nach Grenchen kehrt die Gloor Präzisionswerkzeuge AG zu ihren Wurzeln nach Grenchen zurück. Die Firma wurde 1959 von Friedrich Gloor senior an der Rötistrasse gegründet, zog später an die Bettlachstrasse und an die Jurastrasse um. 1971 wurde dann der Neubau in Lengnau errichtet. Erst an diesem Standort wurde ein eigentliches Wachstum möglich auf heute 50 Mitarbeitende, die laut Angaben der Firma etwa 10 Millionen Franken umsetzen.
Die Coronazeit habe man schon auch gespürt, berichtet Flury, man war sogar in Kurzarbeit, weil auch die Medtech-Branche litt. «Es wurden kaum mehr Operationen gemacht, das heisst, die Medtech-Firmen konnten keine Implantate liefern und wir keine Werkzeuge zu deren Herstellung», beschreibt Flury den Dominoeffekt des Lockdowns.
Heute sei die Nachfrage wieder intakt und man schaue zuversichtlich in die Zukunft, erklärt Flury.